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Familia Sapo oder ein paar Tage in Taizé

Es ist noch dunkel, als wir von der Autobahn Richtung Cluny abfahren und durch die verwinkelten, kleinen Dörfer kurven.
Irgendwas zwischen 5 und 6 Uhr. Ich fühle mich erschöpft und irgendwie leer, es ist ein bisschen wie die Ruhe vor dem großen Sturm.
Über den Feldern geht ganz langsam die Sonne auf, rot-gold schimmert der Horizont und es verspricht ein warmer Tag zu werden.Auf einmal Unruhe im Auto, das letzte Straßenschild mit der Aufschrift „Taizé“ hat alle wachgerüttelt.
An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu Denken.

Die letzten Meter, das bekannte Eingangstor, der Parkplatz vor den Zeltplätzen- wir sind da.
Eine ungewohnte Stille liegt über den Zeltdächern, aber ich weiß es besser: in ein paar Stunden sieht alles anders aus.
Noch liegen alle erschöpft in ihren Schlafsäcken, sammeln Energie für einen neuen, intensiven Tag.

Ein kleines Highlight: unser Zelt ist sogar schon aufgebaut, Freunde hatten es am Tag zuvor bereits mitgenommen.
Wir können uns also nach der Fahrt erst einmal erholen.
Lange Zeit bleibt uns allerdings nicht, die Glocken Leuten, es wird laut um unser Zelt herum, Bewegung kommt ins Spiel.
Kirche& Frühstück stehen an.

Und Frühstück, das läuft hier etwas anders ab. Es gibt ein Brötchen, zwei Stücke feste Schokolade, Tee und Butter. Der Rest ist nun der Kreativität eines jeden überlassen. Wie kommt die Butter aufs Brötchen, was fange ich mit der Schokolade an und wie verdammt nochmal halte ich das alles auf einmal fest, wenn es keinen Tisch zum Ablegen gibt. Man erkennt den geübten Taizéler direkt an seiner ausgefeilten Technik. Anfänger verraten sich mit hilfesuchenden Blicken.
In Taize gibt es keine Tische, na ja sicher gibt es irgendwo welche, aber nicht in erreichbarer Nähe. Man setzt sich auf Holzbänke oder direkt auf den Boden. Bei rund 2000 Menschen ist das ein ziemliches Durcheinander und genau so soll es auch sein.

Danach ist Bibelstunde. Vor allem bei meinem ersten Besuch hatte ich darauf so gar keine Lust. Bibelstunde klingt nach hinsetzen, zuhören und Langeweile. Celine und ich entschließen uns dann aber doch der Sache eine Chance zu geben und wow.
Ein Bruder leitet durch den ersten Teil der Stunde mit so viel Humor, spannenden Fragen, interessanten Überlegungen und Anstößen, dass wir sprachlos zurück bleiben. Das Ganze ist so weit weg von klassischem Religionsunterricht, wie es nur sein kann. Es geht darum, etwas zu hinterfragen, sich mit anderen Menschen auszutauschen, eigene Überlegungen aufzustellen und laut zu denken. Und wer nur Trainstation versteht, kann sich auch direkt an den Bruder wenden.
Am Ende der Einführung teilen wir uns in Gruppen auf und reden über alles und nichts. Himmel, Erde, Glück, Glaube, Bildung, Heimat… irgendwie finden wir immer wieder ein neues Thema.

Bis zum Mittagsgottesdienst haben wir nicht nur die Relativitätstheorie erneuert, sondern auch das „Backeln“ für uns entdeckt. Aber das ist ein anderes Thema. Nach dem Gottesdienst gibt es dann Essen. Diese Mahlzeit wird zum Glück mit einem kleinen Tablett und Gabel ausgeteilt, wobei ich seit Namibia auch gern mit den Händen esse.

Danach ist wieder Bibelstunde, wir haben Zeit Taizé zu erkunden, mit Menschen aus aller Welt zu spielen, uns die Stimme heiser zu schreien, Bananen zu cutten, in Reih und Glied verrückt wie ein Huhn zu tanzen oder einfach mal an der Quelle zu meditieren. Selbst beim schreiben jetzt ein paar Wochen später klingt das Ganze schon wieder ziemlich verrückt, ehrlich, ich glaub man muss das einfach selbst erleben. Es ist unmöglich dafür die richtigen Worte zu finden.

Wer dann noch genug Power vom Tag übrig hat, der kann Abends im Ojak nochmal alles geben. Es wird getanzt, gesungen, Gitarre gespielt, gelacht, Walls of Crabs gebildet und und und.

Das Besondere für mich an Taizé? Ein Alltag ohne Uhr und Handy. Das Zusammenleben von Menschen aus aller Welt. Die Einfachheit. Wer für ein paar Tage aus dem Alltag abhauen will, Zeit für sich braucht oder nach einer einzigartigen Erfahrung sucht, wird in Taizé fündig werden.

Ich jedenfalls habe wie immer gefunden. Neue, tolle Freunde aus aller Welt. Neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Mich selbst ein kleines Bisschen mehr.

Ciao Bella <3

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