Allgemein,  Kuba,  Reisen,  Zentralamerika

The old heart of Cuba – welcome to Havanna

Nach unserem kleinen Neuseelandfail vor knapp vier Monaten stand fest, dass wir zu mindestens im Sommer noch einmal für ein paar Wochen den Kontinent verlassen wollen. Unsere Vorstellungen allerdings gingen dabei ein kleines bisschen auseinander. Während es Rafi Kuba angetan hat, war ich für Panama oder Mexiko. Also musste ein Kompromiss her: zwei Wochen Kuba, eine Woche Mexiko.
Da der liebe Rafi inzwischen unter das arbeitende Volk gegangen ist, gehen längere Reisen erst mal nicht mehr.

Ich erspare euch jetzt sämtliches Geplänkel über packen, Flughafenaction und den Flug, weil es darüber diesmal zum Glück absolut nichts spannendes zu erzählen gibt. Nach Landung, noch im Flugzeug können wir einen ersten Blick auf das Flughafengebäude erkennen, dass auch fast eine Bushaltestelle sein könnte 😀 Nein okay, ganz so klein war das Gebäude dann doch nicht aber kleiner als jeder Flughafen, den ich bisher gesehen habe. Noch im Flugzeug kommen Rafi erste Zweifel zum Wetter, draußen ist es dunkel und auf seiner Wetterapp waren die Temperaturen die letzten Tage kaum über 30 Grad. „Ich hoffe, es ist wirklich warm und nicht nur so, na ja lauwarm.“ Als wir Deutschland verlassen haben, hatte es immerhin mollige 15 Grad… Hochsommer in Deutschland olé. Der erste Schritt aus dem Flugzeug gleicht dann einem Sprint gegen eine erhitzte Betonwand. Es ist nicht nur unfassbar warm sondern auch verdammt schwül. Ich bin mir instant sicher, dass zu mindest die ersten Urlaubshoffnungen erfüllt sind.

Am Flughafen müssen wir dann erst einmal knapp eine Stunde auf das Gepäck warten (piano piano!). Ich versuche die nervöse Deutsche in mir zu knebeln, another country another feeling for time. Entschleunigung ist das Zauberwort. Aber schafft das mal nach knapp zwei Jahrzehnten Drilltraining durch deutsche Uhren. Zwar vergeht überall auf der Welt eine Minute gleich schnell oder langsam aber ich bin mir sicher, in Deutschland gehen die Uhren ein klitzekleines bisschen schneller! Auch wenn man es mit dem bloßen Auge vielleicht gar nicht erkennen kann.

Irgendwann rollen dann doch noch Tatonka (Rafis rote Reisetasche) und mein Rucksack auf uns zu und wir können uns auf die Suche nach einem Bankautomaten und im Anschluss daran nach einem Taxi machen.

Ich liebe die Fahrt vom Flughafen in eine neue Stadt. Tausend Eindrücke preschen gleichzeitig auf einen ein. Noch auf Abstand gehalten durch knapp 80kmh und eine Schicht Autoscheiben. Vorsichtiges Beobachten der Umgebung, Einschätzen, Abwägen und vor allem: Aufsaugen. Um uns herum tuckern alte Autos gemächlich über die Straßen und pupsen im fahlen Licht der Straßenlaternen dicke Abgaswolken in den schwarzen Nachthimmel. Palmen säumen die Straße, Menschen halten Daumen in die Luft, ab und zu sieht man ein paar verfallene Häuserfronten. Dazwischen viel Grün.

Unser Hostel liegt etwas abseits des Stadtkerns (auch vieja Havanna oder Althavanna) genannt und wir werden direkt warm empfangen. Es gibt einen schönen, großzügig bepflanzten Innenhof mit riesigem Holztisch und allerhand Deko. Unser Zimmer liegt im ersten Stock und verspricht zwar keinen großen Luxus, dafür aber einen Platz zum Schlafen und eine lastwagenlaute Klimaanlage. Besser als gar keine! Mehr gibt es nicht zu erzählen, wir sind erschöpft von der Reise und lassen uns in die Federn fallen. Gute Nacht!

Am nächsten Morgen (dank Jetlag wachen wir um 7 Uhr in der früh auf) schlurfen wir noch etwas verpeilt und schon ordentlich verschwitzt (es lebe tropisches Wetter) zum Frühstück. Dort erwartet uns eine buntgemischte, lustige Truppe Amerikanerinnen und Amerikaner, die für einen Musikausflug hier in Havanna sind. Sie lernen lokale Tänze und Lieder, Menschen und Land kennen. Einer von ihnen ist netter und spannender als der Andere und hat eine ganze Menge zu erzählen. Zwischen Kaffee, Rührei und Wassermelone werden Reisegeschichten ausgetauscht.

Danach wollen wir uns auf den Weg nach Althavanna machen, das Juwel der Stadt. „Oh its not that far from here. Twenty minutes.“, erklärt uns unser Host. Hm, auf der Stadtkarte sieht das aber irgendwie weiter aus, denke ich mir noch aber na ja… was weiß ich schon von dieser Stadt. Wir machen uns also auf den Weg, inzwischen steht die Sonne ordentlich hoch am Himmel und ballert was das Zeug hält. Wir kriechen fast den Mallecon entlang, immerhin weht ab und zu eine salzige Briese vom Meer herüber. Nach 20 Minuten haben wir nicht einmal ansatzweise die Hälfte der Strecke geschafft. Minütlich werden wir von dicken Abgaswolken der alten Autos eingenebelt, es ist unerträglich heiß und dank Jetlag hängen schon die Augen auf Halbmast. Wer hat nochmal gesagt, dass Reisen schön ist? Und warum bin ich eigentlich hier und nicht in meinem weichen, gemütlichen Bett zu Hause? Wer tut sich so einen Stress denn freiwillig an?

Wir müssen verzweifelt und touristisch aussehen (es lebe die helle Hautfarbe) denn wir werden von einem jungen Mann gefragt, ob er uns schnell den Weg zeigen soll. Havanna könne etwas verwirrend sein. Oh ja, denke ich mir! Vielleicht laufen wir einfach nur eine unnötige Verlängerung. Auch Rafi schaut erleichtert und nickt. Er führt uns durch verwinkelte Straßen, kleine Gassen und erzählt etwas über dies und jenes. Nach einer Abkürzung sieht das nicht aus, aber nett ist er immerhin. Mein Gehirn ist längst viel zu erhitzt um noch irgendetwas mitzukriegen. Schließlich kommen wir in einer Art Hippieviertel an, es gibt viele Kunstwerke und Gemälde zu bestaunen.

Wir setzen uns trinken etwas und bedanken uns bei unserer Begleitung. Ich bin zu erschöpft um noch großartig weiter zu laufen und wir entscheiden uns dazu, ein Tuktut zu nehmen. Das allerdings scheint unserer Begleitung jetzt überhaupt nicht zu gefallen. Es knistert in der Luft, Geldscheinchen in seinen Augen. „ I have children, you know?“ Hmmm, we know. Nach dieser Andeutung wird er schnell direkt, verlangt Geld. Jetzt überhaupt gar nicht mehr freundlich. Yeah well. Wir hätten doch gewusst, dass er ein professioneller Touristguide wäre, er hätte immerhin ein Abzeichen an seinem Shirt. Ja wir hätten zwar nicht über Geld direkt gesprochen aber er habe Kinder. Von wegen menschliche Nächstenliebe. Profit. Mehr und nicht weniger. Wir geben ihm schließlich ein paar Cents und machen, dass wir so schnell wie möglich wegkommen.

Mit einem Rikscha geht es dann endlich nach Old Havanna. Auch von hier dauert die Strecke noch mindestens fünfzehn Minuten und das auf Rädern. Ich weiß nicht, welche Zeitangaben hier gelten aber 20 Minuten, das hat ja vorne und hinten nicht gestimmt. Später erfahren wir, dass bei Streckenangaben hier immer von Autominuten gesprochen wird denn bei dieser Hitze denken auch die Einheimischen nicht an laufen. In Old Havanna essen wir dann erst einmal was und machen es uns danach in einem Park gemütlich. Der Schatten von einem Baum wirkt einfach immer viel, viel beruhigender als der eines Gebäudes.

Hier in Old Havanna ist jetzt auch richtig viel los. Überall gibt es kleine und große Läden, werden Hüte, Zigarren und Rum verkauft. Irgendwo spielt oder singt immer jemand Descpacito. Touristen stapeln sich in den kleinen Seitenstraßen.

Ja, die Gebäude hier sehen besonders aus. Alt, bunt, aus einer andere Zeit. Man möchte glauben, dass die Uhren stehen geblieben sind. Oldtimer in den Straßen. Ein Gesicht der Stadt. Von tausenden, das werden wir in den nächsten Tagen noch lernen.

Rafi und ich sind beide keine Stadtmenschen. Das wird uns hier wieder deutlich. Während um uns herum Touristen begeistert ein Foto nach dem anderen knipsen, sich mit Zigarren und Rum ablichten lassen und Hüte in jeder Form kaufen, sitzen wir erschöpft im Park und sehnen uns nach Meer. Ich frage mich, ob wir Kulturbanausen sind. Was sehen die, was wir nicht sehen? Eine Antwort darauf finden wir während der gesamten Reise nicht. Es ist eben so und fertig. Unser Herz schlägt für Wind im Haar und Salzwasser, dass die Füße umspült. Für Natur, eine Hängematte zwischen Palmen oder auch mit Skiern durch die Berge sausen. Naturkinder irgendwie.

Das Schöne ist, wir sind uns einig. Keiner braucht es laut auszusprechen, wir kennen uns gut genug. Die Gefahr: wir bleiben verdammt schnell hängen. Während andere um uns herum am liebsten jeden Tag an einem anderen Ort wären, durch die Museen der Welt rennen und alle touristischen Ziele abgrasen, lassen wir uns von Sonne, Meer und Strand das Gehirn vernebeln. Pläne adé. Eine Woche , zwei Wochen…

Nach unserer Pause im Park versuchen wir noch einen Supermarkt in der Stadt zu finden um uns etwas Wasser und Knabberzeug zu kaufen. Irgendwie ist das aber gar nicht so leicht, denn richtige Supermärkte- tja die gibt es in Kuba so nicht. Also es gibt natürlich Geschäfte in denen man etwas kaufen kann, aber was, das weiß man erst am Tag selbst. Manchmal gibt es nämlich einfach kein Wasser oder eben keinen Käse oder einfach so gut wie nichts. Und auch sonst ist die Auswahl minimal. Erst in den richtig großen, touristischen Einkaufszentren der Stadt werden wir fündig aber für die Einheimischen ist das Leben hier definitiv deutlich komplizierter.

Am Havanna Rum Club nehmen wir uns schließlich ein Taxi und lassen uns zurück zu unserer Unterkunft fahren. Erschöpft fallen wir dort ins Bett und begehen mal wieder unseren mehr als beliebten Kapitalfehler- am ersten Tag tagsüber Schlafen. Es lebe der Jetlag.

Als Rafi mich versucht, eine Stunde später zu wecken, tut er mir, jetzt im Nachhinein betrachtet, extrem Leid und ich bin dankbar dafür, wie gut er meine manchmal etwas schwierigen und anstrengenden Seiten handeln kann. Ich fauche, motze und meckere. Bin unerträglich knatschig und zickig. Er schleppt mich trotzdem zum Essen wieder raus und die Hitze draußen schafft es, die letzten Funken Wut aus mir herauszuschwitzen. Alles was bleibt, ist eine übermüdete, weinerliche, kleine Hülle. Wir setzen uns in das nächste Restaurant, ein arktisch runtergekühlter (also für unser Gefühl perfekt temperierter) Italiener mit utopisch teuren Preisen. Egal! Nudeln schmecken nach zu Hause und davon brauchen wir jetzt Beide eine große Portion.

Die ersten 24 Stunden in einem fremden Land sind oft ganz und gar nicht leicht. Jetlag, fremde Temperaturen, eine andere Kultur. Ist man in einem Hotelurlaub sieht das Ganze sicherlich anders aus, als Backpacker allerdings haben Körper und Geist nicht selten in der ersten Woche zu kämpfen. Nur steht das meist nicht in irgendwelchen Abenteuergeschichten, denn ja, wenn ich das jetzt so lese, klingen wir ganz schön armselig. Wir sollten eigentlich freudig durch die Straßen hüpfen, so viel von der fremden Kultur aufsaugen wie möglich aber die Realität sieht eben anders aus. Jeder der schon einmal länger und abseits der mehr als ausgetrampelten all inclusive Pfade unterwegs war wird das vermutlich bestätigen können. Keine Angst, wir haben uns auch wieder gefangen. Aber dazu wann anders mehr.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

6 − vier =